Die große Tradition des indischen Yoga hat im Verlauf der mehr als dreitausendjährigen Entwicklung eine Reihe von Übungswegen hervorgebracht. Hier sollen die vier Hauptwege des Yoga, die schon einmal kurz erwähnt wurden, noch einmal näher beschrieben werden. Die Hauptwege sind
Jnana-Yoga
Jnana-Yoga – der Yoga der Erkenntnis
Yoga wird hier nach Frawley (2004) vor allem als eine Suche nach Erkenntnis, nach der Wahrheit des Lebens, nach dem Selbst und nach Gott gesehen. Jedoch handelt es sich um eine Suche der besonderen Art, die nicht mit dem äußeren Geist und den Sinnen erfolgt, sondern mit dem inneren Geist und dem Herzen. Der Yoga der Erkenntnis ist nicht in erster Linie eine Sache des Denkens, obwohl er mit intensivem Nachdenken über die großen Fragen des Lebens beginnt.
Er ist eine Meditation, die voraussetzt, dass der Geist in einem Zustand des friedlichen Beobachtens verweilt, um mit Hilfe von Wahrnehmung die Wahrheit zu entdecken.
Die Upanischaden – Quellentexte des Yoga
Die älteste Quelle des Yoga findet sich in den Upanischaden, die ab 1000 v.Chr. entstanden sind. Sie wurzeln wie fast alle geistigen Traditionen in den Veden, den ältesten heiligen Schriften Indiens.
Die Upanischaden lehren, dass die Einzelseele ein Teil der unvergänglichen Weltseele sei. Dies könne durch Yoga erkannt werden. Die Erkenntnis der Einheit befreie vom Kreislauf der Wiedergeburten.
Unter Yoga wurde zunächst die in magischer Zeremonie angestrebte Verbindung des Menschen mit höheren Kräften verstanden.
Später bezeichnete man mit Yoga einen eigenständigen Erkenntnisweg. In diesem Sinne kann der Yoga der Upanischaden als Jnana-Yoga – Yoga der Erkenntnis aufgefasst werden. (vgl. Weiß, 1986)
Der Yoga der Bhagavadgita
Die Bhagavadgita ist in den Jahren zwischen 400 vor Christus und 200 nach Christus entstanden. Sie enthält sicher noch Elemente der jüngeren Upanischaden, im Mittelpunkt steht jedoch ein neues Gottesverständnis. Sie enthält ein Gespräch zwischen Krsna und Arjuna über den Weg rechten Handelns angesichts eines unmittelbar bevorstehenden Krieges, der Tod und Vernichtung bringen wird.
Sie zeigt nach dem Jnana-Yoga der Upanischaden und dem Raja-Yoga des Yoga-Sutra noch zwei weitere Yoga-Wege. Zum einen Karma-Yoga, der Handeln ohne Gewinnstreben verlangt. Nur die Erkenntnis, nicht der Lohn soll Antrieb sein. Erfolg und Misserfolg sind mit Gleichmut hinzunehmen. Der andere, Bhakti-Yoga, bedeutet, für einen persönlichen Gott tätig zu sein. In jeder Handlung auszudrücken, dass man ihn hingebungsvoll liebt. Die Bhagavadgita lehrt, dass Askese und Meditation erforderlich sind, damit die Ordnung und das rechte Werk erkannt werden. Der kürzeste Weg zur Vereinigung mit Gott aber wird in der Liebe gesehen. (vgl. Weiß, 1986)